Immer mehr teure Therapien für seltene Krankheiten treiben Preise für neue Arzneimittel nach oben
Die Preise für neue Medikamente in den USA sind 2024 drastisch gestiegen – und das trotz politischer Bemühungen zur Kostensenkung. Immer mehr Arzneimittel richten sich gegen seltene Krankheiten, deren Behandlung pro Patient besonders kostspielig ist. Während führende Hersteller auf Sparkarten und Rabatte verweisen, sehen Fachleute einen wachsenden Systemkonflikt zwischen Innovation, Zugänglichkeit und wirtschaftlicher Belastung. Die Zahlen zeichnen ein klares Bild.
Die Entschlüsselung des menschlichen Genoms im Jahr 2003 hat die Arzneimittelentwicklung verändert. Unternehmen können genetische Grundlagen gezielt analysieren und damit Therapien für seltene Erkrankungen entwickeln, sogenannte Orphan Diseases. Diese betreffen weniger als 200.000 Amerikaner pro Krankheit – ein Markt, der kleiner, aber profitabel ist.
Um die Forschung in diesem Bereich zu fördern, profitieren Pharmaunternehmen von regulatorischen Vorteilen: längere Marktexklusivität und weniger direkte Konkurrenz. Gleichzeitig betonen Unternehmen wie die Pharmaceutical Research and Manufacturers of America, dass der Fokus auf hohe Listenpreise ein verzerrtes Bild erzeuge. Entscheidend sei der Beitrag eines Medikaments zu Gesundheitskosten, Gesamtausgaben und Lebensqualität der Patienten.
Eine Analyse von Reuters.com berichtet, dass sich der mittlere Listenpreis neu zugelassener Medikamente 2024 auf über 370.000 US-Dollar pro Jahr belief – mehr als doppelt so viel wie 2021. Von den 45 untersuchten Medikamenten stammten über 70 % aus dem Bereich der seltenen Krankheiten, mit einem erheblichen Anteil in der Onkologie.
Das teuerste regelmässig angewendete Medikament war Miplyffa von Zevra Therapeutics: über 1 Million US-Dollar pro Jahr für die Behandlung der Niemann-Pick-Krankheit Typ C – eine seltene Stoffwechselerkrankung mit nur etwa 900 diagnostizierten Fällen in den USA. Eine einmalige Gentherapie namens Lenmeldy von Orchard Therapeutics wurde sogar mit 4,25 Millionen US-Dollar bepreist – ein Rekord.
Dem gegenüber stehen Therapien für grössere Patientengruppen wie das Schizophrenie-Medikament Cobenfy von Bristol Myers, das mit 22.500 US-Dollar pro Jahr vergleichsweise niedrig angesetzt ist. Die Preisgestaltung bleibt auch politisch umstritten: Präsident Donald Trump forderte zuletzt, die US-Preise an internationale Standards anzupassen.
Laut dem Iqvia Institute stieg der Anteil an Medikamenten für seltene Krankheiten von 51 % (2019) auf 72 % (2024). Ein Treiber: die technologischen Fortschritte in Genomforschung, Zell- und Gentherapie. Die FDA genehmigte im letzten Jahr 57 neue Arzneien, darunter sieben neuartige biologische Therapien.
Trotz hoher Preise erzielen viele dieser Medikamente keine Mega-Umsätze: Blockbuster mit über 10 Milliarden US-Dollar Jahresumsatz waren 2024 die Ausnahme. Die Boston Consulting Group prognostizierte einen Gesamtumsatz der Neueinführungen von 60 Milliarden US-Dollar, unter dem historischen Durchschnitt.
Einige Medikamente wie Beqvez von Pfizer – eine Hämophilie-Gentherapie für 3,5 Millionen US-Dollar – wurden bereits wieder vom Markt genommen. Grund: zu geringe Nachfrage, trotz medizinischem Fortschritt.
Arzneimittelhersteller argumentieren, dass hochpreisige Medikamente langfristig Kosten im Gesundheitssystem reduzieren könnten – etwa durch weniger Krankenhausaufenthalte oder dauerhafte Heilung. Gleichzeitig geben sie an, keinen Einfluss auf die Höhe der Zuzahlungen zu haben, die Versicherte leisten müssen.
Viele Unternehmen bieten Sparkarten und Unterstützungsprogramme an. Versicherer wiederum handeln Rabatte und Rückerstattungen aus, insbesondere wenn Konkurrenzprodukte existieren. Dennoch bleibt die finanzielle Belastung für viele Patienten hoch, da nicht alle Programme flächendeckend greifen und manche Mittel in Nischen verbleiben.
Der Trend zu hochpreisigen Medikamenten für seltene Krankheiten ist ungebrochen. Wissenschaftlicher Fortschritt, regulatorische Anreize und wirtschaftliche Interessen treffen auf politische und gesellschaftliche Herausforderungen. Solange die Entwicklungskosten nicht gesenkt werden, dürften die Preise weiter steigen – mit Folgen für Gesundheitssysteme und Patienten gleichermassen.
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