Grösste Gemeinde der Schweiz – kaum jemand kennt sie

Prättigau-Gemeinde bleibt trotz Rekordfläche im Schatten

Sie ist flächenmässig die Nummer eins in der Schweiz – und doch kennen sie nur wenige: Die Rede ist von der Gemeinde Zernez im Kanton Graubünden. Mit mehr als 250 Quadratkilometern Fläche ist sie die grösste Gemeinde des Landes, flächenmässig grösser als Städte wie Zürich oder Basel – zusammengenommen. Dennoch bleibt sie im öffentlichen Bewusstsein ein weisser Fleck.

Warum ist das so? In diesem Artikel erfährst du, warum Zernez nicht trotz, sondern gerade wegen ihrer Grösse unter dem Radar fliegt – und was das mit Tourismus, Natur und Geschichte zu tun hat.

Die Gemeinde Zernez liegt im Engadin, einem Hochtal im Osten des Kantons Graubünden. Im Jahr 2015 fusionierte Zernez mit Lavin und Susch, wodurch sie zur grössten Gemeinde der Schweiz wurde. Sie liegt auf rund 1’470 Metern Höhe und grenzt an den Nationalpark, das älteste Naturschutzgebiet der Alpen.

Historisch war Zernez ein Transitort zwischen Italien und dem Norden. Doch mit dem Bau moderner Strassenverbindungen verlor das Dorf an Bedeutung. Die Bevölkerung ist klein – rund 1’500 Menschen leben verteilt auf mehrere Dörfer und Weiler.

Im Gegensatz zu anderen flächenstarken Regionen wie Glarus Süd oder Saanen ist Zernez wirtschaftlich kaum präsent. Grosse Industrieansiedlungen fehlen, ebenso wie überregionale Bildungs- oder Gesundheitszentren.

Trotz ihrer Dimensionen bleibt Zernez im Schatten. Der Tourismus konzentriert sich auf Davos, St. Moritz oder das Unterengadin. Auch die Nationalparkbesucher kennen oft nur das Besucherzentrum – ohne die Gemeinde näher wahrzunehmen.

Statistisch beeindruckend: Die Gemeindefläche umfasst riesige alpine Zonen, Wälder, Seen und Weiden. Doch vieles davon ist unbewohnbar oder streng geschützt. «Wir verwalten viel Fläche, aber wenig bewohnbaren Raum», sagt Gemeindepräsidentin Rita Janett in einem Interview mit der Südostschweiz.

Gleichzeitig fehlen Ressourcen: Infrastrukturprojekte, digitale Anbindung oder Investitionen in den öffentlichen Verkehr verlaufen schleppend – eine Folge der geringen Bevölkerungsdichte und geringen politischen Schlagkraft auf kantonaler Ebene.

Zernez beheimatet den grössten Teil des Schweizerischen Nationalparks, ein Gebiet, das strengen Schutzrichtlinien unterliegt. Bauvorhaben, touristische Nutzung und wirtschaftliche Projekte sind dort stark eingeschränkt. Diese Naturschutzpriorität hemmt teils auch die regionale Entwicklung.

Zernez besitzt zudem mehr Brücken als Strassendörfer – ein kurioser Effekt der topografischen Bedingungen. Auch der grösste Teil des Flächenwachstums der letzten Jahrzehnte kam durch Fusionen zustande, nicht durch Expansion.

Eine Studie der Hochschule Luzern zum Thema „Wahrnehmung peripherer Gemeinden“ nennt Zernez als Paradebeispiel für das sogenannte „Silent Giant“-Phänomen: Kommunen mit hoher objektiver Bedeutung, aber geringer medialer Sichtbarkeit.

Zernez ist die grösste Gemeinde der Schweiz – und dennoch eine der unbekanntesten. Grund dafür sind nicht nur geographische, sondern auch strukturelle Faktoren: dünne Besiedlung, Schutzgebiete, fehlende wirtschaftliche Anker.

Gleichzeitig bietet gerade diese Kombination Chancen – etwa für nachhaltigen Tourismus, ökologische Forschung oder digitale Nomaden.

Verpasse keine News mehr! Aktiviere unseren kostenlosen Whatsapp-Kanal

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Ähnliche Artikel

Die mobile Version verlassen