Sorgenkind Detailhandel: Wie die Schweiz (nicht) mehr einkauft


Das Bild zeigt ein leerstehendes Ladenlokal mit einem grossen „ZU VERMIETEN“-Schild im Schaufenster. Die Szenerie liegt an einer ruhigen Innenstadtstrasse in der Schweiz. (Symbolbild)

Der Schweizer Detailhandel steckt in der Krise – mit langfristigen Folgen

Der stationäre Detailhandel in der Schweiz steht unter Druck wie selten zuvor. Während Onlineplattformen Rekordumsätze schreiben, kämpfen lokale Läden mit sinkenden Margen, steigenden Mieten und veränderten Kundenbedürfnissen. Hinzu kommt die Inflation, die viele Haushalte zur Zurückhaltung zwingt. Besonders betroffen sind Mode, Elektronik und Spielwaren – ganze Branchen verzeichnen seit Monaten Rückgänge. Die Pandemie hat Trends beschleunigt, die längst begonnen hatten: Digitalisierung, Vereinfachung, Preistransparenz. In diesem Beitrag wird klar, warum der Detailhandel zum Sorgenkind geworden ist, was Konsument:innen heute wirklich wollen – und was jetzt auf dem Spiel steht.

Der klassische Einzelhandel war jahrzehntelang die tragende Säule des Schweizer Konsumalltags. Doch seit rund 10 Jahren verändert sich das Bild rasant. Laut dem Bundesamt für Statistik (BFS) ist der Detailhandelsumsatz 2024 real um 3,2 % gesunken. Besonders gravierend: Die Zahl der Ladenschliessungen hat sich im Vergleich zu 2019 verdoppelt. Die Ursachen: steigende Fixkosten, sinkende Frequenz in Innenstädten, wachsender Onlineanteil (aktuell bei über 30 %). Giganten wie Digitec, Zalando oder Amazon verdrängen kleinere Anbieter zunehmend. Selbst Traditionshäuser wie Manor oder Globus kämpfen mit Rückgängen – und reagieren mit Filialschliessungen oder Umstrukturierungen.

Besonders stark betroffen sind Innenstädte wie Basel, Luzern oder Neuchâtel, wo leere Ladenflächen zum Stadtbild gehören. Die Gewerkschaft Unia warnt vor einem „sozialen Kahlschlag“, da immer mehr Stellen in Verkauf und Logistik wegfallen. In kleineren Gemeinden spüren Dorfläden die Konkurrenz durch Discounter und Tankstellenshops. Gleichzeitig boomt der Einkaufstourismus wieder: Grenznahe Orte wie Kreuzlingen (TG) oder Chiasso (TI) melden Umsatzeinbussen von über 15 %. Die Handelsverbände fordern gezielte Fördermassnahmen, etwa steuerliche Entlastungen oder Innovationszuschüsse – bislang ohne grossen Erfolg.

Eine Studie der ZHAW (2024) zeigt: 62 % der Konsument:innen in der Schweiz kaufen mindestens einmal pro Monat online ein – Tendenz steigend. Dabei spielt der Preis zwar eine Rolle, aber auch Bequemlichkeit, Auswahl und Bewertungen zählen. Besonders spannend: 28 % der Befragten wären bereit, lokal mehr zu zahlen – wenn der Service stimmt. Die Credit Suisse Konsumstudie warnt jedoch: „Der Detailhandel in seiner heutigen Form ist nicht zukunftsfähig ohne radikalen Wandel.“ Technologien wie Self-Checkout, Click & Collect oder Pop-Up-Konzepte gewinnen rasant an Bedeutung – klassische Modelle geraten ins Hintertreffen.

Der Detailhandel ist kein Auslaufmodell – aber er muss sich radikal neu erfinden. Wer überleben will, braucht mehr als Sortiment und Rabatte: Erlebnis, Regionalität und Service rücken ins Zentrum. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob sich der Handel in der Schweiz neu erfindet – oder noch mehr Lichter in den Innenstädten ausgehen.

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