Über 636.000 bekannte Erdrutsche – Forschung warnt vor Zunahme durch Klimawandel
Italien gilt als europäisches Epizentrum für Erdrutsche: Mehr als 636.000 dokumentierte Ereignisse zeigen, wie tief dieses geologische Risiko in der Landschaft verwurzelt ist. Trotz jahrzehntelanger Forschung bleiben viele Rutschungen schwer vorhersagbar. Fachleute warnen: Klimawandel, veränderte Landnutzung und extreme Wetterereignisse werden das Risiko in den kommenden Jahren weiter erhöhen. Ein Überblick über die Lage, Ursachen und Folgen.
Italien weist die mit Abstand höchste Anzahl bekannter Erdrutsche in Europa auf. Die ersten historischen Dokumentationen reichen bis in die Antike zurück. Verantwortlich für die Datenerfassung ist die nationale Plattform IdroGeo des Instituto Superiore per la Protezione e la Ricerca Ambientale (ISPRA).
Die Ursachen für Erdrutsche sind vielfältig: geologische Instabilität, Hanglagen, Böden mit vulkanischem Ursprung sowie intensive Regenfälle. Besonders gefährlich sind sogenannte schnelle Erdrutsche, die in Minuten grosse Massen bewegen und massive Schäden verursachen können.
Wie ansa.it berichtet, wurde das Thema im Juni 2025 bei einer wissenschaftlichen Konferenz der Accademia Nazionale dei Lincei in Rom eingehend behandelt. Der Forscher Fausto Guzzetti vom CNR-Institut betonte: Das tatsächliche Ausmass des Risikos sei häufig unterschätzt – trotz sichtbarer Spuren in vielen Regionen.
Allein im Jahr 2024 registrierte Italien 129 Erdrutsche, in den ersten fünf Monaten des Jahres 2025 bereits zehn. Der jüngste Vorfall ereignete sich am 28. Mai 2025 in Foza (Vicenza), wo ein Felsbrocken eine Landstrasse blockierte.
Besonders betroffen ist die Region Emilia-Romagna, die nach extremen Regenfällen im Mai 2023 über 80.000 Rutschungen innerhalb weniger Tage verzeichnete. Auch Mittel- und Süditalien gelten als hochgefährdet.
Laut IdroGeo-Karten gelten grosse Teile des Landes – abgesehen von flachen Gebieten – als potenziell instabil. Etwa 2,2 % der Bevölkerung (über 1,3 Millionen Menschen) leben in Zonen mit hoher Erdrutschgefährdung.
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Todesopfer: Zwischen 1974 und 2023 starben durch Erdrutsche 1.060 Menschen.
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Obdachlose: Über 138.000 Personen mussten infolge von Rutschungen evakuiert werden.
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Karten & Vorhersage: Zwar existieren georeferenzierte Karten, doch mittel- bis langfristige Prognosen (10–50 Jahre) gelten weiterhin als wissenschaftlich schwierig.
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Satellitendaten: Programme wie Copernicus liefern wertvolle Daten, doch deren systematische Anwendung scheitert teils an Organisation und Infrastruktur.
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Kostenbremse: Technologien zur Früherkennung sind vorhanden – scheitern aber oft an Budgets und dem Übergang von Pilotprojekten zu flächendeckenden Lösungen.
Erdrutsche sind keine abstrakten Naturphänomene – sie zerstören Häuser, blockieren Verkehrswege, reissen Existenzen in den Abgrund. Besonders in ländlichen Regionen stellt die permanente Bedrohung eine Belastung für Gemeinden und Einzelpersonen dar.
Die Vorsorge ist oft eine Frage von Ressourcen: Frühwarnsysteme fehlen, Risikobewusstsein ist lückenhaft, bauliche Vorsorgemassnahmen bleiben punktuell. Für viele Betroffene kommen Evakuierungen zu spät – oder zu oft.
Italien steht bei Erdrutschen europaweit an der Spitze – und das Risiko steigt. Klimawandel, intensive Niederschläge und dichte Besiedlung verschärfen die Lage. Der Schutz liegt nicht nur in der Technologie, sondern auch in politischem Willen, systematischer Datennutzung und flächendeckender Vorsorge. Die nächsten Jahrzehnte werden entscheidend sein.
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