In Glarus versammeln sich am Sonntag Hunderte Bürger zur traditionsreichen Landsgemeinde – mit spannenden Entscheidungen.
Die Glarner Landsgemeinde ist eines der letzten Überbleibsel der direkten Demokratie in ihrer ursprünglichsten Form: Bürgerinnen und Bürger treffen sich unter freiem Himmel, heben ihre Hand – und entscheiden so über Gesetze. Diese Veranstaltung zieht nicht nur Einheimische an, sondern auch politische Beobachter aus der ganzen Schweiz. In diesem Jahr stehen besonders brisante Traktanden zur Diskussion, die weit über die Kantonsgrenzen hinaus Beachtung finden.
Die Landsgemeinde ist eine der ältesten demokratischen Institutionen der Welt. In Glarus wurde sie erstmals im Jahr 1387 dokumentiert und findet seither jährlich (mit wenigen Ausnahmen) am ersten Sonntag im Mai in Glarus statt. Stimmberechtigt sind alle Schweizer Bürgerinnen und Bürger des Kantons Glarus, die das 16. Lebensjahr vollendet haben – ein Novum, denn Glarus senkte 2007 als erster Kanton das Stimmrechtsalter auf 16 Jahre. Die Abstimmungen erfolgen per Handerheben („Handmehr“) und sind öffentlich sichtbar.
Nur zwei Kantone halten heute noch an dieser Form der Demokratie fest: Appenzell Innerrhoden und Glarus.
Am Sonntag, 4. Mai 2025, treffen sich rund 2’000 bis 3’000 Stimmberechtigte auf dem Landsgemeindeplatz. Zu den diesjährigen Traktanden gehören:
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Einführung einer Elternzeitregelung auf kantonaler Ebene
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Teilrevision des Polizeigesetzes
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Kreditfreigabe für den Ausbau der Kantonsschule Glarus
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Anpassungen beim Steuergesetz (Stufenmodell bei Einkommenssteuern)
Diese Themen lösen im Vorfeld lebhafte Diskussionen aus, insbesondere zur Elternzeit – ein Vorstoss, der Signalwirkung auf andere Kantone haben könnte. Die Regierung empfiehlt hier Annahme, einige bürgerliche Parteien zeigen sich skeptisch. Erwartet wird ein emotional geführter Austausch mit offenen Redemöglichkeiten auf dem Podium.
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In Glarus gibt es keine elektronische Abstimmung, kein Abstimmungscouvert – die Bürgerinnen und Bürger stimmen live und sichtbar ab.
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Das Stimmrechtsalter 16 gilt nur in Glarus – ein demokratiepolitisches Experiment, das schweizweit beobachtet wird.
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Die Landsgemeinde ist rechtlich bindend – Beschlüsse treten unmittelbar in Kraft.
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Wer sprechen möchte, kann dies ohne Voranmeldung tun – jede Stimme zählt, nicht nur symbolisch, sondern konkret.
Die Landsgemeinde in Glarus bleibt ein Symbol für gelebte Bürgernähe und direkte Demokratie. Die diesjährigen Traktanden zeigen, dass diese Form nicht nur historisch, sondern hochaktuell ist. In Zeiten zunehmender Politikverdrossenheit bietet sie ein Vorbild für Partizipation. Wer mitreden will, muss nur seine Hand heben – und Verantwortung übernehmen.
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