Die Aktion „Stone“ der Kantonspolizei Bern sollte ein harter Schlag gegen den Drogenhandel im Oberaargau sein. Doch stattdessen endete sie in einer herben Niederlage: Das Obergericht Bern sprach zwei mutmassliche Drogendealer frei – trotz Beweisen und Geständnissen. Die Gründe für den Freispruch sind schwerwiegende Verfahrensfehler seitens der Polizei.
Ein Fall voller Fehler
Wie die Berner Zeitung berichtete, begann der Fall mit Hinweisen von aufmerksamen Bürgern, die verdächtige Aktivitäten in ihrem Wohnviertel beobachtet hatten. Fremde Autos mit ausser-kantonalen Kennzeichen parkten immer wieder kurz in der Strasse und verschwanden schnell wieder. Trotz dieser Hinweise dauerte es Monate, bis die Polizei mit einer einmonatigen Observation begann – im November 2020, fast ein halbes Jahr nach den ersten Meldungen. Die lückenhafte Dokumentation der Polizei erschwerte die Ermittlungen weiter: Weder das Datum des Beobachtungsbeginns noch der Inhalt der Hinweise wurden in den Akten festgehalten, was die Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Ermittlungen beeinträchtigte.
Illegale Videoüberwachung
Ein gravierender Fehler der Ermittler war die Installation einer versteckten Kamera zur Überwachung der Strasse. Die Kantonspolizei hatte sich dabei auf das kantonale Polizeigesetz gestützt. Das Obergericht stellte jedoch klar, dass diese Rechtsgrundlage nicht ausreichte. Laut dem Gericht war die Videoüberwachung „grundlegend rechtswidrig“ und stellte einen erheblichen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte dar. So kam es, dass das Gericht diese Aufnahmen nicht als Beweismittel zuliess, was den Fall erheblich schwächte.
Hausdurchsuchung ohne Durchsuchungsbefehl
Im November 2020 verfolgten Polizisten einen Mercedes, dessen Insassen zuvor die verdächtige Wohnung besucht hatten. Die Polizisten fanden im Wagen 700 Gramm Marihuana und zwei Platten Haschisch – jedoch ohne richterlichen Durchsuchungsbefehl. Dies führte dazu, dass die Beweise als rechtswidrig eingestuft wurden und nicht in den Prozess einfliessen durften. Doch genau dieser Drogenfund im Mercedes lieferte den Anlass für weitere Hausdurchsuchungen, bei denen die Polizei eine grosse Menge Drogen sowie Chemikalien zum Bau von Sprengstoff fand. Dennoch konnten diese Funde ohne rechtlich saubere Beweisführung nicht genutzt werden.
Fehlerhafte Verhöre ohne Verteidigung
Ein weiterer Verfahrensfehler der Polizei betraf das Verhör des Hauptverdächtigen. Er wurde ohne anwaltliche Begleitung vernommen, was gegen grundlegende Verfahrensvorschriften verstösst. Das Protokoll dieses Verhörs musste deshalb aus den Akten entfernt werden. Laut BZ entlastete dieser Fehler den Beschuldigten, der als mutmasslicher Anführer der Drogenoperation galt.
Gerichtlicher Freispruch trotz Beweislast
Letztlich wurden die Beschuldigten vom Obergericht Bern freigesprochen, da die Beweise rechtswidrig erlangt worden waren und damit unbrauchbar waren. Auch das Regionalgericht hatte zuvor bereits auf Freispruch plädiert. Die Staatsanwaltschaft forderte für die Männer eine Haftstrafe von 14 bzw. 54 Monaten, doch aufgrund der Vielzahl an Verfahrensfehlern konnte die Verteidigung erfolgreich argumentieren, dass die Beweise nicht verwertbar waren.
Genugtuung statt Gefängnisstrafe
Statt einer Gefängnisstrafe erhielten die Beschuldigten eine finanzielle Entschädigung für die „besonders schweren Verletzungen ihrer Persönlichkeitsrechte“. Der Hauptverdächtige – der nachweislich erneut in Drogendelikte verwickelt war – erhielt sogar seine beschlagnahmte Digitalwaage zurück. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, und der Fall könnte in eine weitere Runde gehen.
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