Die zunehmende Radikalisierung von Jugendlichen durch soziale Netzwerke wie TikTok und Instagram sorgt für Besorgnis. Ein Jugendpsychologe und zwei Tech-Experten erklären, wie Algorithmen junge Menschen in einen Sog problematischer Inhalte ziehen können, die schliesslich zu extremistischen Überzeugungen führen. Ein 15-jähriger Jugendlicher stach am 3. März einen jüdischen Mann nieder – ein Fall, der nicht isoliert betrachtet werden kann.
Experten erklären, wie Algorithmen junge Menschen in einen Sog problematischer Inhalte ziehen, die schliesslich zu extremistischen Überzeugungen führen können. Soziale Netzwerke spielen dabei eine zentrale Rolle, doch die Radikalisierung ist ein komplexer Prozess, der weit über die Online-Welt hinausgeht.
Die Rolle von Algorithmen in der Radikalisierung
Empfehlungsalgorithmen auf Plattformen wie TikTok reagieren auf das Verhalten der Nutzer, indem sie zunehmend ähnliche Inhalte vorschlagen. Dieser „Rabbit Hole“-Effekt kann dazu führen, dass Jugendliche, die zunächst harmlose Inhalte konsumieren, nach und nach problematischere Beiträge sehen, die Wut und Empörung auslösen. Der Jugendpsychologe Leonardo Vertone erklärt, dass dies zu einer einseitigen Informationsblase führt, die den Extremismus fördert, indem sie das Gefühl von Ungerechtigkeit und Abgrenzung verstärkt.
Gefahr von geschlossenen Gruppen und extremistischen Inhalten
Sobald Jugendliche in diesen Sog geraten, können sie in geschlossenen Gruppen auf Plattformen wie Telegram weiter radikalisiert werden. Dort tauschen sie sich mit bereits radikalisierten Menschen aus, die ihnen ein Gefühl von Identität und Zugehörigkeit vermitteln. In solchen Gruppen werden oft illegale Inhalte wie Videos von Terrorakten oder radikalislamische Botschaften geteilt, die die Radikalisierung weiter vorantreiben.
Der Fall des 15-jährigen Täters in Zürich
Der Fall des 15-jährigen Jugendlichen in Zürich, der einen jüdischen Mann niedergestochen hat, ist ein schockierendes Beispiel dafür, wie gefährlich dieser Radikalisierungsprozess werden kann. Der Jugendliche, der sich online radikalisiert hatte, wurde durch extremistische Inhalte auf sozialen Netzwerken beeinflusst. Der Weg von einem harmlosen Gamer zu einem Attentäter ist erschreckend kurz, wenn soziale Netzwerke die falschen Inhalte befördern. Der Jugendliche folgte unter anderem extremistischen Predigern auf Plattformen wie Instagram und nahm schliesslich den Alias-Namen „Ahmed al-Dabbah“ an, bevor er zur Tat schritt.
Die Verantwortung der Plattformen und mögliche Lösungen
Während Algorithmen allein keinen Terroristen hervorbringen, tragen sie zur Radikalisierung bei. Die EU hat mit dem Digital Service Act (DSA) Vorschriften erlassen, um die Risiken von Algorithmen zu minimieren, doch die Umsetzung bleibt eine Herausforderung. Die Experten fordern, dass Tech-Firmen ihre Transparenzberichte verbessern und externe Bewertungen zulassen. Zudem sollten Warnhinweise und Notfallknöpfe auf Plattformen eingeführt werden, um gefährdete Jugendliche besser zu schützen.
Digitale Bildung und gesellschaftliche Verantwortung
Ein zentraler Ansatz zur Prävention von Radikalisierung ist die Förderung digitaler Kompetenz. Jugendliche sollten lernen, Informationen kritisch zu hinterfragen und Quellen zu überprüfen. Frühzeitige Interventionen bei auffälligem Verhalten können ebenfalls dazu beitragen, Radikalisierung zu verhindern. Die Experten betonen, dass Extremismus oft auch ein Hilferuf ist, und dass es wichtig ist, Jugendliche, die in extreme Ideologien abdriften, anzusprechen und ihnen Unterstützung anzubieten.