Was hinter der Kritik an den WHO-Pandemieverträgen steckt – und was nicht belegt ist
In sozialen Medien kursieren seit Monaten Warnungen vor einem angeblichen „Geheimplan“ der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Kritiker behaupten, neue Pandemieverträge würden nationale Verfassungen aushebeln und eine globale Gesundheitsdiktatur einführen. Was steckt dahinter? Der folgende Bericht klärt auf, was an den Vorwürfen sachlich zutrifft – und was auf unbelegten Annahmen oder falscher Interpretation basiert.
Die WHO arbeitet seit 2021 an einem internationalen Pandemievertrag, um die globale Zusammenarbeit bei Gesundheitskrisen zu verbessern. Der Auslöser war die COVID-19-Pandemie, in der nationale Alleingänge, Versorgungsengpässe und Verzögerungen bei Warnungen zu Kritik führten.
Ziel des Abkommens ist laut WHO-Dokumenten, Frühwarnsysteme, Datenzugang, Impfstoffverteilung und Zusammenarbeit im Pandemiefall verbindlicher zu regeln. Das Abkommen soll nicht Verfassungen übergehen, sondern internationale Standards festlegen – ähnlich wie Umwelt- oder Handelsverträge.
Die Vertragsverhandlungen erfolgen unter Mitwirkung aller WHO-Mitgliedstaaten, darunter auch die Schweiz. Entscheidungen werden im Konsens getroffen, nationale Ratifizierungen bleiben erforderlich.
Die Schweiz nimmt aktiv an den Verhandlungen teil. Ein formeller Vertragsentwurf liegt seit 2023 vor, die Diskussionen laufen im Rahmen der Intergovernmental Negotiating Body (INB).
Die Vorwürfe, der Vertrag führe zur „Zwangsimpfung“ oder „Machtausweitung“ der WHO, basieren nicht auf dem Entwurf selbst, sondern auf vereinzelten Interpretationen oder aus dem Kontext gerissenen Passagen.
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) betont, dass die Souveränität der Schweiz gewahrt bleibt und der Vertrag keine Durchgriffsbefugnis auf nationale Gesetzgebung vorsieht. Auch andere Länder wie Deutschland, Österreich oder Kanada kommunizieren das öffentlich ähnlich.
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Der Vertrag ist kein Gesetz: Er entfaltet erst Rechtskraft, wenn er von nationalen Parlamenten ratifiziert wird.
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Kein Entscheidungsmonopol: Die WHO kann keine verpflichtenden Massnahmen durchsetzen. Entscheidungen bleiben bei den Staaten.
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Falsche Behauptungen im Umlauf: Laut Faktenchecks mehrerer Medien (u. a. dpa, Reuters, BBC) ist der Begriff „Weltdiktatur“ unbelegt.
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Vergleich mit bestehenden Verträgen: Der WHO-Vertrag ähnelt in Struktur dem IHR (International Health Regulations), die seit 2005 gelten und keine nationale Gesetzgebung ersetzen.
Die Pandemie hat viele Menschen verunsichert – und Misstrauen gegenüber Institutionen verstärkt. In diesem Klima verbreiten sich Behauptungen über „globale Pläne“ rasch, auch wenn sie unbelegt sind.
Was für manche wie ein drohender Kontrollverlust erscheint, ist in den Entwürfen nüchtern formuliert: Es geht um Koordination, nicht um zentrale Steuerung. Entscheidend ist, zwischen legitimer Skepsis und irreführender Interpretation zu unterscheiden.
Es gibt keinen Beleg für einen „Geheimplan“ oder eine drohende „Weltdiktatur“ durch die WHO. Der Pandemievertrag soll die internationale Reaktion verbessern, nicht nationale Verfassungen untergraben.
Wie bei jedem völkerrechtlichen Vertrag liegt die Kontrolle bei den Mitgliedstaaten – auch in der Schweiz. Kritik ist legitim, sollte aber auf überprüfbaren Fakten basieren.
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