UBS und die Banken-Lobby: Der Einfluss der Wissenschaft auf regulatorische Entscheidungen


Symbolbild (Wikimedia CC)

Die Bankenbranche steht weltweit unter strenger Beobachtung, und auch in der Schweiz nehmen Diskussionen über regulatorische Anpassungen und höhere Eigenkapitalanforderungen zu. Eine zentrale Rolle spielen hierbei die Banken-Lobby, insbesondere die UBS, und ihre Verbindungen zur Wissenschaft.

Kürzlich publizierte Steven Ongena, Professor für Bankwesen an der Universität Zürich, eine Studie, die Eigenkapitalanforderungen und alternative Regulierungsansätze behandelt. Das Besondere daran: Die Finanzierung seiner Forschung erfolgt durch das Swiss Finance Institute (SFI), ein Institut, das massgeblich von Banken wie der UBS unterstützt wird. Kritiker bezeichnen die Studie bereits als „Auftragsarbeit“ und vermuten gezielte Einflussnahme der Banken-Lobby auf die Forschung.

Einfluss der Banken-Lobby auf wissenschaftliche Studien

Die Swiss Banking Association, die Interessenvertretung der Schweizer Banken, finanziert das Swiss Finance Institute, das wiederum Professoren wie Ongena jährlich mit einem zusätzlichen Betrag von rund 50.000 Franken unterstützt. Diese Finanzierung sorgt bei einigen Branchenkennern und Regulierungsbehörden für Bedenken hinsichtlich der Unabhängigkeit der Forschung. Die Bankenvereinigung wird grösstenteils durch die Mitgliedsbeiträge von Schweizer Banken wie der UBS getragen, die aufgrund ihrer Grösse und Marktmacht den grössten Beitrag leistet. Über diese Verflechtungen kann die Banken-Lobby indirekt Einfluss auf wissenschaftliche Erkenntnisse nehmen, die wiederum Entscheidungen der Politik beeinflussen.

Mit den geplanten regulatorischen Anpassungen und dem bevorstehenden Bericht der Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) zur Credit Suisse-Krise wird das Thema Eigenkapitalanforderungen noch relevanter. Die Frage, wie hoch die Kapitalanforderungen für die Grossbanken wie UBS sein sollten und ob ihre Geschäftsbereiche im Ausland stärker reguliert werden müssen, steht im Mittelpunkt.

Wissenschaftlicher Diskurs: Eigenkapital als politisches Instrument

Professor Ongenas aktuelles Paper analysiert die Eigenkapitalanforderungen und stellt alternative Massnahmen zur Diskussion. Bereits im einleitenden Satz wird das Eigenkapital als „politisches Instrument“ bezeichnet, was Kritiker als eine problematische Perspektive ansehen. Die Kapitalausstattung einer Bank ist kein rein politisches Thema, sondern dient in erster Linie dazu, die Stabilität und Sicherheit des Bankensektors zu gewährleisten. Strenge Kapitalanforderungen sollen sicherstellen, dass Banken genug Reserven haben, um Krisen zu bewältigen und Risiken abzudecken – ein Aspekt, der seit den globalen Finanzkrisen von 2008 und jüngst auch der Credit Suisse-Pleite besondere Beachtung findet.

Ongena weist in seiner Studie auf mögliche Alternativen zu Eigenkapitalanforderungen hin. Dazu zählen Veränderungen bei Banklizenzen, strengere Regeln für die Einlagensicherung oder auch Änderungen bei Fusionen und Übernahmen. Die Frage, ob Eigenkapitalanforderungen allein ausreichend sind oder durch zusätzliche Massnahmen ergänzt werden sollten, ist ein sinnvoller wissenschaftlicher Diskurs. Jedoch ist der Zeitpunkt der Studie und die enge Verbindung zwischen SFI und der Banken-Lobby für viele ein klares Indiz für eine gezielte Einflussnahme auf politische Entscheidungen.

Lobbyisten in zentralen Positionen der Bankenvereinigung

Im Zentrum der Schweizer Banken-Lobby stehen ehemalige Spitzenleute der UBS, die heute führende Rollen in der Schweizerischen Bankiervereinigung und damit auch indirekt im Swiss Finance Institute einnehmen. Marcel Rohner, einst CEO der UBS, ist heute Präsident der Bankenvereinigung und spielt eine zentrale Rolle in der Interessenvertretung. Roman Studer, bis 2023 als „Governmental Affairs“-Chef der UBS tätig, setzt nun ebenfalls seine Erfahrung im politischen Umfeld ein, um die Anliegen der Grossbank voranzutreiben. Gemeinsam koordinieren sie Massnahmen und Positionen, die es den Banken erleichtern sollen, niedrigere Kapitalanforderungen und regulatorische Erleichterungen durchzusetzen.

Kosten der Kapitalanforderungen: Auswirkungen auf Gewinne und Risiken

Ein zentrales Argument der Banken-Lobby gegen höhere Kapitalanforderungen ist, dass Eigenkapital „teuer“ sei und die Rendite der Banken schmälere. Tatsächlich bedeutet mehr Eigenkapital für die Banken in der Regel, dass ein grösserer Teil des Vermögens als Reserve gehalten werden muss und nicht direkt für Investitionen zur Verfügung steht, was kurzfristig die Gewinne senken kann. Aus gesellschaftlicher Perspektive jedoch minimieren höhere Kapitalanforderungen die Wahrscheinlichkeit staatlicher Rettungspakete im Falle von Bankenkrisen. Wenn Banken weniger Eigenkapital halten müssen, erhöhen sich potenziell die Risiken, die der Steuerzahler im Ernstfall tragen müsste.

Professor Ongena spricht in seiner Studie von einem möglichen Rückgang des Wirtschaftswachstums und der Kreditvergabe, falls Eigenkapitalanforderungen angehoben werden. Kritiker hingegen betonen, dass eine solide Kapitalbasis für Banken im Gegenteil langfristig zur wirtschaftlichen Stabilität beiträgt. Sie argumentieren, dass kurzsichtige Profitmaximierung auf Kosten der Sicherheit nicht im Interesse der Gesellschaft liegt.

Die Rolle des Swiss Finance Institute und die Debatte um Unabhängigkeit

Das Swiss Finance Institute als „Think Tank“ der Schweizer Banken vereint Professoren und Forscher aus verschiedenen Hochschulen des Landes und finanziert deren Forschung. Kritiker werfen dem SFI jedoch vor, dass die Abhängigkeit von der Bankenvereinigung und ihren Mitgliedsbeiträgen ein Risiko für die wissenschaftliche Unabhängigkeit darstellt. Auch wenn das Institut betont, dass die Studien der geförderten Professoren „unabhängig“ seien, bleibt ein Interessenkonflikt nicht von der Hand zu weisen.

Mit einem zunehmend einflussreichen Netzwerk aus Wissenschaft und Banklobby gewinnt die Debatte um Eigenkapitalanforderungen und Regulierung an Brisanz. Gerade im Kontext des Zusammenschlusses von UBS und Credit Suisse rücken diese Themen in den Fokus. Der bevorstehende PUK-Bericht wird voraussichtlich weitere Schwachstellen und Versäumnisse aufdecken, die die regulatorische Grundlage der Schweizer Bankenlandschaft in Frage stellen könnten.

Blick in die Zukunft: Weichenstellungen für den Finanzplatz Schweiz

Der Einfluss der Banken-Lobby auf die Gesetzgebung und politische Entscheidungen ist nicht neu. Doch angesichts der bevorstehenden parlamentarischen Debatten und möglichen Gesetzesänderungen gewinnt die Diskussion um Eigenkapital und die Rolle des Swiss Finance Institute eine neue Dimension. Die Frage, ob mehr Eigenkapital nötig ist, um künftige Krisen zu vermeiden, wird nicht nur die Banken selbst, sondern auch die Regulatoren und die Öffentlichkeit weiter beschäftigen.

Schlussbetrachtung:
Die wissenschaftliche Debatte über Kapitalanforderungen und die damit verbundene Lobbyarbeit der Banken-Lobby beleuchtet einen komplexen Interessenskonflikt zwischen kurzfristiger Profitabilität der Banken und langfristiger Sicherheit des Finanzsystems. In der kommenden Parlamentsdebatte wird es entscheidend sein, wie unabhängig und differenziert diese Themen behandelt werden. Die Rolle des Swiss Finance Institute und die Verflechtungen zwischen Wissenschaft und Bankenbranche werden dabei eine zentrale Rolle spielen.

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