Die neue Kennzeichnungspflicht für tierische Produkte wird von Tier im Fokus als unzureichend und irreführend bezeichnet.
Mit der neuen Deklarationspflicht will der Bundesrat mehr Transparenz bei tierischen Lebensmitteln schaffen. Künftig sollen bestimmte Eingriffe wie betäubungslose Kastration oder Enthornung deklariert werden. Die Tierschutzorganisation Tier im Fokus (TIF) kritisiert die Regelung jedoch scharf – sie sei eine Alibi-Übung, die kaum Wirkung zeige und grundlegende Probleme verschleiere.
In der Schweiz wird seit Jahren über den Umgang mit sogenannten Nutztieren debattiert. Tierschutzorganisationen fordern eine strengere Regulierung körperlicher Eingriffe. Der Bundesrat reagierte nun mit einer neuen Deklarationspflicht für tierische Lebensmittel, insbesondere Fleisch, Milch und Eier, wenn bestimmte Eingriffe vorgenommen wurden – z. B. Schnabelkürzen, Enthornung oder Kastration ohne Betäubung.
Doch laut Agrarbericht 2024 liegt der Selbstversorgungsgrad bei tierischen Produkten bei rund 95 %, weshalb die neue Regelung fast ausschliesslich Importprodukte betrifft. Für viele Konsumentinnen und Konsumenten dürfte die neue Pflicht im Alltag kaum sichtbar sein.
Die Tierschutzorganisation Tier im Fokus (TIF) hält die neue Regelung für eine reine Alibi-Massnahme. Mediensprecher Tobias Sennhauser erklärt: „Die meisten der erfassten Eingriffe sind in der Schweiz entweder nicht mehr erlaubt oder gar nicht relevant – es entsteht ein falsches Gefühl von Sicherheit.“
Kritik gibt es vor allem daran, welche Praktiken nicht deklariert werden müssen. Dazu zählen etwa:
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Abschleifen der Zähne bei Ferkeln ohne Schmerzausschaltung (Art. 15 TSchV)
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Kürzen der Schnäbel bei Hühnern (Touchieren)
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Kastration männlicher Ferkel, auch wenn unter Betäubung
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Enthornung von Kälbern, meist aus ökonomischen Gründen
Diese Eingriffe seien legal, aber mit erheblichem Stress und Schmerz für die Tiere verbunden – und würden weiterhin nicht kenntlich gemacht.
Laut TIF verfehlt die neue Deklarationspflicht ihr Ziel, echte Transparenz für Konsumierende herzustellen. Die Bevölkerung könne glauben, beim Kauf von Schweizer Produkten automatisch auf der sicheren Seite zu sein – ein Trugschluss, wie Sennhauser betont.
Darüber hinaus entstehe eine Wettbewerbsverzerrung zulasten von Produzenten, die freiwillig auf belastende Eingriffe verzichten oder besonders hohe Tierschutzstandards umsetzen. Diese würden durch fehlende Differenzierung nicht sichtbar gemacht.
TIF fordert daher eine umfassende Kennzeichnungspflicht, die alle Eingriffe – auch legale und routinemässige – erfasst und mit klaren Begriffen benennt. Nur so könnten Konsumenten fundierte Kaufentscheidungen treffen.
Die Kritik reiht sich in eine grössere Debatte um den Tierschutz in der Landwirtschaft ein. Während der Bund auf Pragmatismus und Handelbarkeit setzt, fordern Tierschutzverbände maximale Offenlegung und Ehrlichkeit.
Die öffentliche Diskussion um das Thema Greenwashing bei Tierwohl gewinnt an Fahrt – ähnlich wie bei der Nachhaltigkeitsdebatte in anderen Bereichen. Für ehrliche und tierfreundliche Betriebe könnte eine umfassendere Deklaration auch eine Chance sein, sich positiv zu differenzieren.
Die neue Deklarationspflicht für tierische Produkte geht laut Tierschutzorganisationen nicht weit genug. Eingriffe mit erheblichem Tierleid bleiben weiterhin unsichtbar. TIF fordert deshalb ein transparentes, umfassendes System, das das tatsächliche Tierwohl sichtbar macht. Ob die Politik darauf reagiert, bleibt abzuwarten – der öffentliche Druck wächst.
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