Weitere Zunahme rechtsextremer Gewalt in Deutschland


Dobrindt erklärt, dass die Zahl politisch motivierter Straftaten gestiegen ist

2024 verzeichnete Deutschland mit 3453 rechten Angriffen einen neuen Höchststand rechtsextremer Gewalt

Die Zahl rechtsextrem motivierter Gewalttaten in Deutschland hat im Jahr 2024 ein neues Rekordniveau erreicht. Laut dem deutschen Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt wurden bundesweit 3453 „rechte Angriffe“ registriert – rund 900 mehr als im Vorjahr. Damit übersteigt die Entwicklung selbst die bisherigen Höchstwerte deutlich und verdeutlicht eine gefährliche gesellschaftliche Tendenz. Besonders betroffen sind Grossstädte und östliche Bundesländer. Auch die offiziellen Zahlen des Innenministeriums bestätigen den allgemeinen Anstieg politisch motivierter Kriminalität. Dieser Bericht liefert Einblicke in die Ursachen, das Ausmass und die gesellschaftlichen Implikationen der zunehmenden rechtsextremen Gewalt.

Seit 2014 dokumentiert der Verband der Beratungsstellen rechte, rassistische und antisemitische Angriffe systematisch. Während im Jahr 2023 bereits ein Höchstwert erreicht wurde, markiert das Jahr 2024 mit 3453 Vorfällen einen weiteren Anstieg. Die Zahl der direkt betroffenen Personen lag bei 4681 – ein ebenfalls nie dagewesener Höchststand.

Das Ausmass rechtsextremer Gewalt ist auch im Vergleich zu anderen politischen Straftaten erheblich. Propagandadelikte – etwa das Verwenden verfassungsfeindlicher Symbole – machten mit 37 % den grössten Anteil politisch motivierter Delikte aus. Rund die Hälfte aller politisch motivierten Straftaten ordnet das Bundeskriminalamt dem rechtsextremen Spektrum zu. Das Innenministerium wies in seiner aktuellen Statistik für 2024 insgesamt über 84.000 politisch motivierte Straftaten aus – ein Zuwachs um rund 40 % im Vergleich zum Vorjahr.

Laut derstandard.at, die über die neuesten Zahlen berichten, betonte Innenminister Alexander Dobrindt die gesellschaftliche Polarisierung als Hauptursache. Der Gaza-Konflikt und das Wahljahr 2024 seien nicht ausschlaggebend für den generellen Anstieg. Besonders beunruhigend: Die Zahlen sind nun das sechste Jahr in Folge gestiegen.

Besonders auffällig ist die regionale Verteilung der Gewaltakte: Berlin verzeichnete mit 366 Fällen die höchste Anzahl, gefolgt von Nordrhein-Westfalen (294), Sachsen (213) und Bayern (211). Insgesamt war in 1794 Fällen Rassismus das primäre Tatmotiv. Weitere bedeutende Kategorien betrafen Angriffe auf politische Gegner (542 Fälle), antisemitische Vorfälle (354) und LGBTIQ-feindliche Gewalt (344).

Die häufigsten Delikte waren Bedrohung und Nötigung (1212 Fälle), einfache Körperverletzungen (1143) und gefährliche Körperverletzungen (681). Diese Angaben liegen deutlich über den offiziellen Zahlen des Bundeskriminalamts – was auf unterschiedliche Erfassungsmethoden und Dunkelziffern hinweist.

Ein besonders heikler Fall wurde erst am Montag in Mecklenburg-Vorpommern verhandelt, wo zwei Männer freigesprochen wurden, die 2022 Teilnehmer einer Anti-rechts-Demonstration körperlich attackiert haben sollen. Aufgrund fehlender Identifizierungen durch Opfer und Zeugen war ein Schuldspruch nicht möglich.

Die Einordnung der Straftaten zeigt: Propagandadelikte machen den Löwenanteil politischer Straftaten aus. Die zweithäufigste Kategorie war Sachbeschädigung mit 21 %. Auch Beleidigungen und Volksverhetzung wurden zahlreich registriert. Die Gewaltdelikte – vor allem Körperverletzungen – nahmen um 15 % zu. Knapp ein Drittel dieser Fälle wurde dem rechtsextremen Lager zugeordnet.

Auffällig ist zudem der Anstieg ideologisch motivierter Straftaten aus dem Ausland. Diese Taten haben sich im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt und belegen nun den zweiten Platz nach rechtsextremen Delikten. Auch religiös motivierte Gewaltakte, etwa mit islamistischem Hintergrund, sind weiter ein Thema für die Sicherheitsbehörden.

Judith Porath vom Vorstand des Beratungsverbands erklärt, der Anstieg rechtsextremer Gewalt sei „nur im Kontext mit einer zunehmenden gesellschaftlichen Akzeptanz und Verbreitung extrem rechter, minderheiten- und demokratiefeindlicher Haltung und migrationsfeindlicher Diskurse“ erklärbar.

Die Auswirkungen dieser Gewalt sind konkret und persönlich: Opfer erleben Bedrohung, Schläge, soziale Ausgrenzung und Traumatisierung – häufig ohne ausreichende strafrechtliche Aufarbeitung. Der Freispruch im Mecklenburg-Vorpommern-Fall zeigt exemplarisch, wie schwer es ist, Täter vor Gericht zu bringen – trotz klarer Tatkontexte und Zugehörigkeit zu rechtsgerichteten Gruppen.

Auch gesellschaftlich erzeugt die Gewalt Verunsicherung. In Vierteln mit hoher Angriffsdichte berichten Initiativen von wachsender Angst und Rückzug betroffener Gruppen. Die Beratungsstellen verzeichnen steigende Nachfrage, was auf eine zunehmende subjektive Bedrohungslage hinweist – unabhängig von offiziellen Zahlen.

Die Daten für 2024 dokumentieren eine neue Dimension rechtsextremer Gewalt in Deutschland. Sie zeigen, dass die Bedrohungslage für Minderheiten real und wachsend ist. Die Bundesregierung ist gefordert, nicht nur konsequent zu verfolgen, sondern auch präventiv zu handeln. Ein nationaler Aktionsplan, wie ihn Judith Porath fordert, könnte ein wichtiger Schritt sein.

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