Eisheilige: Mythos und meteorologische Realität


Anzahl Tage mit Bodenfrost im Monat Mai zwischen 1965 und 2021 im Mittelland der Schweiz.(Quelle: meteoschweiz.admin.ch)

Eisheilige im Mai: Keine erhöhte Frostgefahr laut MeteoSchweiz

Die sogenannten Eisheiligen gelten traditionell als kritische Tage für die Landwirtschaft: Vom 11. bis 15. Mai fürchten sich viele vor Spätfrösten, die junge Pflanzen gefährden können. Doch was steckt meteorologisch hinter dieser Überlieferung? Eine Analyse langjähriger Temperaturdaten aus der Schweiz zeigt: Die Angst vor den Eisheiligen ist nur bedingt gerechtfertigt. Dennoch treten auch im Mai regelmässig Bodenfröste auf – mit Risiken für die Landwirtschaft.

Ursprung und historischer Kontext

Die Vorstellung der Eisheiligen stammt aus einer Zeit, in der Bauern über Generationen hinweg eigene Wetterbeobachtungen überlieferten. Daraus entwickelte sich der sogenannte Witterungsregelfall: eine auffällige Abweichung vom Durchschnitt, die an bestimmten Kalendertagen auftritt. Im Fall der Eisheiligen bezieht sich diese Singularität auf eine Kälteperiode Mitte Mai. Die Namenstage der Heiligen Mamertus, Pankratius, Servatius, Bonifatius und der Kalten Sophie (15. Mai) markieren diese Phase. Doch mit der gregorianischen Kalenderreform im Jahr 1582 verschob sich dieses Zeitfenster klimatisch betrachtet um einige Tage – auf den 19. bis 23. Mai. Diese Verschiebung findet in der populären Darstellung meist keine Beachtung, was zur Verklärung des tatsächlichen Kälterisikos beiträgt.

Aktuelle Erkenntnisse und regionale Beobachtung

Eine umfassende Auswertung von Temperaturdaten durch meteoschweiz.admin.ch belegt, dass die Tage um den 19. bis 23. Mai in der Schweiz keine signifikante Häufung von Bodenfrost zeigen. Die längsten Messreihen, etwa in Genève-Cointrin, Zürich-Kloten und Payerne, reichen bis 1965 zurück. Sie zeigen, dass Frost in 5 cm Bodennähe ab Mitte April kontinuierlich seltener auftritt und gegen Ende Mai nahezu verschwindet. Dennoch ist in fast jedem Jahr im Mai mindestens ein Bodenfrosttag im Mittelland zu verzeichnen – allerdings verteilt über den ganzen Monat, nicht speziell während der sogenannten Eisheiligen.

Klimastatistik und wissenschaftliche Studien

Bereits 1906 dokumentierte der Meteorologe Julius Hann, dass sich die Eisheiligen als signifikante Frostperiode nicht nachweisen lassen. Weitere Studien aus dem 20. Jahrhundert, etwa von Primault (1971) und Schüepp (1950), bestätigen: Es gibt keine verlässlichen Hinweise auf eine überdurchschnittliche Kältehäufung um die Eisheiligen. Statistisch betrachtet ereignen sich Frosttage im Mai zwar regelmässig, jedoch ohne erkennbares Datumsmuster. Im Mittelland wurden seit 1965 in rund 40 % der Jahre sogar mehr als zwei Frosttage im Mai registriert – eine Gefahr für die Landwirtschaft, die aber nicht exklusiv an die Eisheiligen gebunden ist.

Häufigkeit von Bodenfrost im April und Mai zwischen 1965 und 2021 im Mittelland der Schweiz.(Quelle: meteoschweiz.admin.ch)

Alltagsperspektive und landwirtschaftliche Praxis

Für Landwirte bleibt die Gefahr von Bodenfrost im Mai real – unabhängig vom Kalender. Viele setzen deshalb auf moderne Frühwarnsysteme der Wetterdienste und schützen empfindliche Kulturen durch technische Hilfsmittel wie Frostkerzen oder Bewässerung. Die meteorologische Realität zeigt, dass Frühjahrsfröste oft lokal und wetterlagenabhängig auftreten – und sich nicht an heilige Namenstage halten. In Gesprächen mit Landwirten etwa aus dem Kanton Thurgau wird deutlich: Die Eisheiligen werden zwar kulturell weitergetragen, aber zunehmend durch präzisere Wetterprognosen ersetzt.

Die Eisheiligen gehören zum meteorologischen Kulturgut Mitteleuropas – doch wissenschaftlich betrachtet sind sie kein belegbares Klimaphänomen. Zwar treten im Mai regelmässig Bodenfröste auf, doch ohne spezifische Häufung rund um Mitte Mai. Für die Landwirtschaft bleibt das Thema aktuell, jedoch sind moderne Daten und Frühwarnsysteme deutlich verlässlicher als alte Bauernregeln. Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte nicht auf Kalenderdaten vertrauen, sondern auf meteorologische Präzision.

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