Die Schweiz gilt als eines der sichersten Länder Europas – doch Statistiken und Fälle von Gewalt gegen und durch die Polizei werfen Fragen auf.
Zwischen Wahrnehmung und Realität
Im internationalen Vergleich rangiert die Schweiz bei Sicherheitsrankings stets weit oben. Laut dem Global Peace Index gehört sie zu den zehn friedlichsten Ländern weltweit. Dennoch mehren sich öffentliche Debatten über Polizeigewalt, strukturelle Probleme in Polizeieinsätzen und das subjektive Sicherheitsgefühl – insbesondere in Städten und an Bahnhöfen.
Laut Bundesamt für Statistik ist die Gesamtkriminalität in den letzten Jahren leicht rückläufig. Die Zahl schwerer Gewaltdelikte – insbesondere Mord, schwere Körperverletzung und Vergewaltigung – bleibt stabil auf tiefem Niveau. Gleichzeitig nehmen Anzeigen wegen Gewaltanwendung durch Polizeibeamte zu, insbesondere im Zusammenhang mit Demonstrationen, Personenkontrollen oder Rückführungen.
Die Zahl der Übergriffe auf Polizistinnen und Polizisten hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Laut Schweizerischer Polizeibeamtenverband gab es 2024 rund 1500 gemeldete Fälle von Angriffen gegen Einsatzkräfte – Tendenz steigend. Gründe sind Respektverlust, Alkohol- und Drogenkonsum, aber auch gesellschaftliche Polarisierung.
Die Debatte über Polizeigewalt wird zunehmend emotional geführt. Menschenrechtsorganisationen fordern unabhängige Beschwerdestellen, während Polizeigewerkschaften auf schwierige Einsatzbedingungen und zunehmende Aggression verweisen. Auch Fälle wie jener des im Februar 2023 in Lausanne verstorbenen Sans-Papiers werfen Fragen zur Verhältnismässigkeit und Aufarbeitung von Polizeieinsätzen auf.
Umfragen zeigen: Das Grundvertrauen in die Polizei bleibt in der Schweiz hoch – über 75 % der Bevölkerung bewerten die Arbeit der Polizei als positiv. Gleichzeitig wünschen sich viele mehr Transparenz bei Fehlverhalten, eine konsequentere Kommunikation nach Vorfällen und eine unabhängige Kontrolle. Der Ruf nach Bodycams und standardisierten Einsatzprotokollen wird lauter.
Die Schweiz bleibt ein sicheres Land – doch auch hier muss über die Rolle, Ausstattung und Verantwortung der Polizei offen gesprochen werden. Gewalt gegen und durch Polizisten ist keine Einbahnstrasse, sondern ein Spiegel gesellschaftlicher Entwicklungen. Entscheidend ist der Wille zur Transparenz, zur Verbesserung – und zum Dialog.
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