Ein mutmasslicher Kryptowährungs-Diebstahl in Millionenhöhe bleibt ohne strafrechtliche Folgen. Das Oberlandesgericht Braunschweig erkennt in der Entwendung digitaler Werte keinen klassischen Diebstahl.
Urteil mit Signalwirkung für Blockchain-Fälle
Im Zentrum des Falls steht ein IT-Administrator, der einem Dritten bei der Einrichtung einer Wallet für ein sogenanntes A-Coin-Projekt half. Dabei erhielt der Mann Zugriff auf die 24 Wörter umfassende Seed-Phrase – das Passwort zum digitalen Vermögen. Wenig später soll er rund 25 Millionen Tokens auf fremde Wallets transferiert haben. Geschätzter Schaden: 2,5 Millionen Euro.
Die Staatsanwaltschaft ordnete zunächst eine Sicherstellung der Vermögenswerte an, um möglichen Wertersatz sicherzustellen. Doch das Landgericht Göttingen hob diesen Arrest auf – das OLG Braunschweig bestätigte nun diese Entscheidung.
Warum Kryptowährungen nicht als „Sachen“ gelten
Laut dem Urteil vom September 2024 (Az. 1 Ws 185/24) fehlt es bereits an einem Anfangsverdacht für eine strafbare Handlung. Denn das deutsche Strafrecht – konkret § 242 StGB – verlangt für Diebstahl die Wegnahme einer „fremden beweglichen Sache“. Kryptowährungen seien jedoch keine körperlichen Objekte, sondern digitale Einträge in einer dezentralen Blockchain – und somit keine „Sachen“ im rechtlichen Sinne.
Ein Diebstahl im klassischen Sinn sei daher ausgeschlossen, so die Richter.
Auch Computerbetrug und Ausspähen greifen nicht
Die Richter prüften auch andere Tatbestände wie Computerbetrug (§ 263a StGB) oder Ausspähen von Daten (§ 202a StGB) – ebenfalls ohne Ergebnis. Eine Krypto-Transaktion basiere lediglich auf der Eingabe des privaten Schlüssels – eine Willenserklärung, wie sie für Betrug erforderlich wäre, liege nicht vor. Zudem sei der Schutzmechanismus nicht stark genug gewesen, um als „besondere Sicherung“ zu gelten.
Die Datenveränderung (§ 303a StGB) komme ebenfalls nicht zur Anwendung, da die Blockchain-Transaktionen technisch durch das Netzwerk selbst erfolgen – und nicht unmittelbar durch den Beschuldigten.
Konsequenz: Keine Strafe, nur zivilrechtlicher Weg offen
Laut Strafrechtsexperten wie Jens Ferner könnte das Urteil eine Zäsur für die Strafverfolgung digitaler Vermögensdelikte darstellen. Wer sich Zugriff auf Wallets erschleicht, bewege sich zwar im „strafbaren Umfeld“, doch die gängigen Tatbestände seien in solchen Konstellationen nicht anwendbar.
Für die Betroffenen bleibt damit nur der Zivilrechtsweg, um möglichen Schadensersatz einzuklagen – ein komplexes Unterfangen, vor allem bei anonymen Wallets und internationalen Transfers.