Nicht jeder Anruf ist ein akuter Notfall – wie Polizei und Einsatzleitzentralen Prioritäten setzen
Ein Anruf bei der Notrufnummer 117 – und doch rückt die Polizei nicht sofort aus? Für viele Menschen ist das schwer verständlich. Doch hinter jeder Reaktion steht ein strukturiertes Bewertungssystem, das zwischen echten Notfällen und weniger dringenden Anliegen unterscheidet. In Zeiten steigender Einsatzbelastung und begrenzter Ressourcen müssen Polizeikorps Prioritäten setzen – zum Schutz aller.
So funktionieren Notrufzentralen in der Schweiz
Die Notrufnummer 117 führt in der Schweiz zur kantonalen oder regionalen Einsatzleitzentrale. Dort nehmen speziell geschulte Disponentinnen und Disponenten alle eingehenden Anrufe entgegen. Ihr Auftrag: Den Ernst der Lage schnell einschätzen – und die richtigen Kräfte aufbieten.
Dabei kommen sogenannte Priorisierungsmodelle zum Einsatz:
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Priorität 1: Akute Lebensgefahr, laufende Gewalt, bewaffnete Täter – sofortiger Einsatz
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Priorität 2: Hoher Handlungsbedarf, etwa Sachbeschädigung, verdächtige Beobachtungen – rasche Disposition, aber ohne Blaulicht
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Priorität 3: Kein unmittelbarer Notfall – Rückmeldung oder späterer Einsatz möglich
Diese Einteilung basiert auf der Gefährdungslage, nicht auf der Dringlichkeit aus Sicht der Anrufenden.
Warum nicht jeder Notruf eine „sofortige Ausrückpflicht“ auslöst
Die Polizei ist nicht nur für Notfälle zuständig – auch Verkehrskontrollen, Personenschutz, Ermittlungen und Prävention binden Personal. Zudem verzeichnet die Polizei je nach Region mehrere Hundert Notrufe pro Tag – darunter auch zahlreiche Falschmeldungen, Missverständnisse oder Bagatellen.
Deshalb gilt: Ein Notruf garantiert keine automatische Interventionspflicht, wenn aus Sicht der Leitzentrale keine unmittelbare Gefahr besteht.
Oft wird auch entschieden, die Meldung an eine andere Instanz wie die Gemeindepolizei, den Sozialdienst oder einen Sicherheitsdienst weiterzuleiten.
Echte Notfälle: Diese Signale lösen sofortige Einsätze aus
Laut Angaben der Kantonspolizeien und der Konferenz der Kantonalen Polizeikommandanten (KKPKS) zählen zu den echten Notfällen:
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Häusliche Gewalt mit aktiver Bedrohung
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Einbruch in ein bewohntes Haus
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Bewaffnete Auseinandersetzungen
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Suizidankündigungen mit konkretem Ort
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Verkehrsunfälle mit Verletzten
In solchen Fällen erfolgt sofortiger Alarm, Blaulichtfahrt und ggf. Verstärkung durch Spezialkräfte.
Was du tun kannst, wenn die Polizei nicht kommt
Wer einen Notruf absetzt, erwartet zu Recht Hilfe. Fühlt man sich nicht ernst genommen, empfiehlt es sich:
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Ruhig und präzise zu schildern, was man beobachtet hat
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W-Fragen zu beantworten: Wer? Was? Wann? Wo? Wie viele?
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Nachzufragen, ob und wann ein Einsatz vorgesehen ist
In manchen Fällen kann auch der Notruf erneut gewählt werden, wenn sich die Lage verschärft. Wichtig ist aber, die Notrufnummern nicht für Bagatellen oder Rückfragen zu blockieren.
Die Polizei entscheidet nicht willkürlich, ob sie bei einem Notruf ausrückt – sie folgt klaren Kriterien. Ziel ist es, Leben und Sicherheit dort zu schützen, wo die Bedrohung am grössten ist. Das Verständnis der Öffentlichkeit für diese Priorisierung ist entscheidend – ebenso wie eine realistische Erwartungshaltung.
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