Es könnte das grösste Energieexperiment der Menschheit werden – und vielleicht der Schlüssel zur Lösung unserer Energieprobleme.
Im südfranzösischen Cadarache entsteht derzeit der ITER-Reaktor: ein internationales Mammutprojekt, das zeigen soll, dass sich die Energie der Sonne auf der Erde kontrolliert nachbilden lässt.
Saubere, sichere und praktisch unerschöpfliche Energie – ohne CO₂, ohne Atommüll, ohne Risiko einer Explosion. Doch jetzt steht das Projekt an einem Wendepunkt.
Der Traum von der Sonne auf Erden
ITER – kurz für International Thermonuclear Experimental Reactor – soll die Kernfusion technisch beherrschbar machen.
Dazu wird Wasserstoff auf über 100 Millionen Grad erhitzt, bis seine Atome zu Helium verschmelzen.
Diese Reaktion setzt enorme Energie frei – genau wie in der Sonne.
Der Unterschied: Auf der Erde muss das heisse Plasma durch ein Magnetfeld in einer ringförmigen Kammer, dem sogenannten Tokamak, stabil gehalten werden.
Wenn das gelingt, wäre es eine Revolution für die Energieversorgung.
Was jetzt passiert – Präzision im Millimeterbereich
Ingenieurteams setzen aktuell neun riesige Stahlsegmente zum Herzstück des Reaktors zusammen: einem Vakuumgefäss in Donut-Form, das später das Plasma enthalten wird.
Hier entscheidet sich, ob das Experiment funktioniert.
Jede Schweissnaht, jeder Winkel, jede Bohrung muss auf Bruchteile eines Millimeters exakt sitzen.
Diese Phase gilt als „kritisch“, weil:
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Null Fehlertoleranz erlaubt ist: Das Vakuumgefäss muss absolut dicht sein.
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Erstmals weltweit ein Tokamak dieser Grössenordnung montiert wird.
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Der Erfolg dieser Montage Voraussetzung für die spätere Inbetriebnahme ist – bis hin zur geplanten Fusionsphase in den 2030er-Jahren.
Zeitplan und Ausblick
Nach Verzögerungen wurde der Zeitplan 2024 neu justiert.
Die wissenschaftliche Anfahrphase ist nun bis 2035 gestaffelt.
Geplante Etappen:
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2025–2028: Magnet- und Vakuumtests
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2029–2032: Erste Plasmazündungen
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2035: Beginn der Deuterium-Deuterium-Fusionsphase
ITER ist damit kein Sprint, sondern ein Marathonprojekt der Präzision. Jede Bauphase muss validiert, jede Systemkomponente getestet werden – von Kryotechnik bis Magnetkühlung.
Warum ITER so entscheidend ist
Gelingt 1, wäre das ein Quantensprung für die Energiewende.
Fusionsenergie könnte langfristig:
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CO₂-frei und grundlastfähig Strom liefern
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Industriewärme erzeugen
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Wasserstoff für die Mobilität der Zukunft bereitstellen
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und die Energiesicherheit ganzer Kontinente verändern
Scheitert das Projekt, drohen Jahre des Stillstands – und ein Rückschlag für die globale Fusionsstrategie von Europa, den USA, China und Japan.
Der Wendepunkt der Energiegeschichte
Mit der Montage des Vakuumgefässes tritt ITER in die entscheidende Bauphase.
Hier zeigt sich, ob die Menschheit wirklich imstande ist, die Sonne nachzubauen.
Gelingt es, wäre das der Beginn eines neuen Energiezeitalters –
scheitert es, bleibt es der grösste Traum der Ingenieurskunst.
ITER ist damit Symbol und Test zugleich: für Technologie, Kooperation – und den Mut, das Unmögliche zu versuchen.









